Ich wurde betrogen und was ich daraus gelernt habe

In meinem Leben war ich mehrfach untreu. Meistens fand ich das in der Situation total gerechtfertigt, weil ich der aktuellen Beziehung keine emotionale Perspektive gesehen habe und deshalb frustriert war oder weil die körperliche Komponente nicht gestimmt hat oder es eine Kombination aus beiden Aspekten war.
Auf alle Fälle war ich es gewohnt zu betrügen. Nicht dass mich das zu einem besseren Menschen macht, es war einfach so. Ich habe mir immer wieder das Recht heraus genommen, mit einem anderen Mann zu schlafen und oft waren diese Affären-Momente erst der Auslöser für das Ende der Beziehung, die mich so unglücklich gemacht hat.

Ein echter Augenöffner für mich war allerdings der Moment, in dem ICH die Betrogene war. Plötzlich. Unerwartet.
Bis dahin konnte ich es mir nicht einmal vorstellen, wie es sich für mich anfühlen und was es für mich verändern würde. Ich stellte mir vor, sollte sich ein Mann jemals erdreisten, mich zu bescheißen, dann würde ich mit einer italienisch inspirierten Geschirrwerf-Aktion antworten, seine Klamotten aus meinem Fenster werfen und ihn dabei beschimpfen. Ich kann euch sagen, es kam ganz anders. Ich war im Grunde das genaue Gegenteil von dem, was ich oben beschrieben habe.

Die ganze Geschichte ist ein bisschen kompliziert und ich werde nicht zu sehr ins Detail gehen. Kurz zusammengefasst war ich sehr verliebt und dieser Mann und ich waren 3 Monate zusammen, aber irgendwie geheim. Keiner wusste was, hatte mehrere Gründe.
Es war Sommer und ich war für eine Woche auf Urlaub, also nicht in der Stadt. Die Hälfte des Urlaubs war um und mich erreichte die Nachricht, dass letzte Nacht etwas passiert sei. „Lustigerweise“ von der „anderen“ Frau. Ihr war es wichtig, mir klar zu machen, dass wenn sie es gewusst hätte, dass sie ihn nie verführt hätte. Tja, da gehören wohl immer zwei dazu, nicht wahr?
Auf alle Fälle kam es im Laufe eines alkohollastigen Abends in der Gruppe dazu, dass die zwei in der Kiste gelandet sind. Es hat wohl nur zwei Minuten gedauert und danach ist er emotional zusammengebrochen, sie hat sich überhaupt nicht ausgekannt, was da jetzt los ist und daraufhin hat er ihr erklärt, dass er eigentlich in mich verliebt ist und sowas gar nicht machen will, weil er ja mich liebt. 

Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Das meine ich so wie ich es sage. Nicht nur weil ich eine halbe Woche nicht in der Stadt bin und sich schon mit einer anderen vergnügt. Es kam hinzu, dass sie sich als erstes bei mir gemeldet hatte. Am selben Tag hat er es mir dann sehr betreten und traurig versucht zu erzählen, wir haben beide geheult. Er wüsste nicht, wie das passieren konnte und nun sei er sich umso mehr seiner Gefühle für mich sicher. Als ob das den Schmerz lindern würde.

Mein Urlaub war gelaufen. Ich war in Gedanken ständig bei dieser Sache, ich habe versucht in meinen Gedanken durchzuspielen, wie dieser Abend wohl abgelaufen ist, dass das so geendet hat. Wieso musste er erst mit einer anderen Frau – und wenn es auch nur zwei Minuten waren – im Bett herumturnen, um dann festzustellen, wie sehr er in mich verliebt ist. Es machte keinen Sinn für mich. Ich habe tagelang geheult und geraucht. Und ein tolles Buch gelesen, das ultimativ passend war – nicht.
Der richtig große Schmerz war nach ein paar Tagen abgeklungen, ich habe versucht klare Gedanken zu fassen, ob und wie das jetzt weitergehen kann. Kann ich ihm vertrauen? Muss ich in jeder Frau, mit der er Zeit verbringt, eine Gefahr sehen? Wird es wieder geschehen?
Wir haben viel und offen darüber 
gesprochen und ich habe wirklich offen gelassen, ob ich damit klar kommen würde auf lange Sicht.
Nach ungefähr einer Woche kam es zum ersten Wiedersehen. Es war sehr ruhig, reuevoll und auch liebevoll. Mir war klar, dass wir an ihm und dem was wir haben, sehr viel mehr liegt als dass ich diese Kränkung nicht verkraften könnte. Das klingt total eigenartig und noch mehr wenn man mich kennt. Ich würde mich als nachtragenden Menschen bezeichnen, das liegt aber daran,  dass ich ein Elefantengedächtnis habe. Ich vergesse schwer und das war die Herausforderungen der nächsten Wochen für uns beide. Wir mussten das zusammen irgendwie verarbeiten. Er hat auch gelitten wie ein Hund, was ich in dem Moment zwar sehen aber auf keinen Fall akzeptieren konnte. Er hatte meiner Meinung nach kein Recht, dass es ihm scheiße geht. Ich wollte auch nicht, dass er in irgendeiner Form Buße tut oder um Verzeihung bittet, was er im Ansatz versucht hätte, aber ich habe es nicht zugelassen.

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich also in der Position der Betrogenen, es war mehr als nur mein Ego das einen Kratzer abbekommen hat. Gleichzeitig wusste ich, dass weder ich noch eine von mir ausgelöste Mangelsituation der Grund war, aus dem heraus er diese Sache gemacht hat. Der Betrug kam aus seiner Unsicherheit heraus, er war in einem Zwiespalt. Er war verunsichert durch die Gefühle, die er zu mir entwickelt hatte. Paradoxerweise kann ich mir sogar vorstellen, dass er ungefähr 20 % Hoffnung hinein gelegt hatte, dass er aus dieser Nacht heraus geht und er sich sagen kann „Hey, das mit Frau Pinkshot war ja Gott sei Dank eine Fata Morgana. Das hab ich mir nur eingeredet. Jetzt wo ich eine andere gebumst habe, weiß ich es!“

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich befürchte, dass es jetzt ein wenig esoterisch klingt, aber ich denke ich musste das erleben und zwar alleine dafür, dass ich am eigenen Leib fühlen konnte, wie schmerzhaft es ist, wenn ein Mensch, den man liebt, so etwas macht. Es geht viel weniger um die genitale Action, es geht um Intimität, die der von dir geliebte Mensch mit einer anderen Person teilt. Plötzlich ist da jemand anderer und wenn auch nur für zwei Minuten.
Das hat meine Sichtweise auf Treue und Loyalität ganz stark verändert. Es hat mich vielleicht auch einen Funken erwachsener gemacht.

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