Werner – der Deflorateur

Gestern Mittag habe ich in Landstraße-Wien Mitte auf die U3 Richtung Innere Stadt gewartet, die U-Bahn fährt ein. Zeitgleich mit mir, bei „meiner Tür“, steigt ein Mann ein, den ich aus dem Augenwinkel sofort als meinen Deflorateur erkenne. Werner!

Ich versuche, meinen Kopf nicht zu rasch und auffällig zu bewegen, er sucht sich einen Platz, an dem er stehend sein Buch lesen kann. Weit weg genug, um ihn aus sicherer Distanz zu mustern. Ist er es wirklich? Doch! Das Gesicht ist etwas gealtert und bebartet, Teile davon schon ergraut. Gut, der Mann ist 3 Jahre älter als ich und tatsächlich sieht man ihm die an. Böse. Und erst sein Outfit! Oversize-Karohemd, weil sich um die Leibesmitte ein ganz schönes Bäuchlein gebildet hat. Zu Werners Verteidigung: vor 18 Jahren habe ich ihn das letzte Mal gesehen.

2 Sekunden überlege ich, ob ich, cool wie ich bin, einfach rübergehen und „Hallo“ sagen soll. Aber er ist mega in sein Buch vertieft. Berufskrankheit. Durch meine Stalkingfähigkeiten weiß ich, dass er Gymnasiumslehrer ist für Deutsch und Geschichte. Passt zu ihm. Dann wiederum passt auch sein Kleidungsstil. Er hat mich nicht gesehen, wahrgenommen und ich würde ihn bestimmt überrumpeln, wenn ich ihn anspreche. Selbst wenn er aus seinem Wälzer hochblickt, würde er mich erkennen?

Und wenn er mich erkennt, wie schlimm wären die nächsten 3 Sekunden? Ich meine unser Zusammentreffen, das in einer gegenseitigen Entjungferung mündete (damals: in the year 2000), war jetzt nicht so lebensverändernd. Für beide. Und da schwingt jetzt keine Traurigkeit mit!

Was damals geschah…

Er war damals 18 und ich 15. Wir hatten eine gemeinsame Freundin und sie war es, die ein „Samstag Fortgehen“ in der Wiener Innenstadt arrangierte, mit dem Ziel, uns zusammen zu bringen. Sexuell. Weil er schon lamentierte, dass er noch jungfräulich ist, es endlich hinter sich bringen wollte. Sie darauf „Ich hab da eine Freundin, da geht bestimmt was“. War aber ziemlich viel Überredungsarbeit von ihr in meine Richtung, sie hat tagelang auf mich eingeredet, dass er mich attraktiv finden würde und „Lass uns am Samstag einfach ausgehen und schauen was passiert!“

Dann kam der besagte Samstag und wir starteten in der Stadt. Später hat die Clique die Party in eine Wohnung in 1140 verlegt. Es wurde getrunken, gute Laune versprüht. Immer mehr Gäste gingen und am Ende blieben nur meine Freundin und ihr Stecher sowie ich und Werner über. Sie zeigte uns die zwei vorhandenen Schlafzimmer und wies uns eines davon zu. „So Kinder, viel Spaß, wir gehen jetzt schlafen aka bumsen. Wir sehen uns morgen zum Frühstück!“

Da waren wir nun. Nach ein oder zwei Minuten Rumgestammel beschlossen wir einstimmig, dass wir es einfach tun würden. So, ausziehen, peinlicher Versuch zu schmusen. Was soll ich sagen, irgendwie haben wir es „erledigt“. Mir hat es weder weh getan, noch sonstige Gefühle ausgelöst. Ich war aber neugierig. Irgendwann haben wir ein bisschen geschlafen, sind wieder aufgewacht und haben weitergemacht. Nach dem peinlichen Frühstück mit dem anderen Pärchen verabschiedeten wir uns und gingen unserer Wege.

Tage später ließ er mir ausrichten, dass wir schon mal Kaffee trinken oder Essen gehen können. Wir versuchten es (vielleicht aus einem Schuldgefühl oder Anstand heraus) irgendwie, ein Paar zu sein. Ja, so drei Wochen vielleicht. Immerhin kann ich mich an einmal Sex mit ihm erinnern, wo es mir plötzlich Spaß gemacht hat. Das lag aber nicht an ihm, ich war in der Zwischenzeit noch immer nicht verliebt in ihn und er hat sein Verhalten oder Interesse mir gegenüber auch nicht drastisch verändert, sondern an meiner Einstellung. Ich war neugierig, hungrig. Wollte wissen, was man da so fühlen kann und das war der Beginn einer großen Liebe meinerseits für die Reiter-Stellung 😉

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