Über Narzissten, toxische Beziehungen und die Kränkung als Urmotiv

Als meine Freundin und ich letztens bei einer Flasche Weißwein darüber nachdachten, wieso unsere Beziehungen bisher vielfach einfach scheitern mussten, stellten wir fest, dass jede von uns in der Vergangenheit mit zumindest zwei Männern eine Beziehung eingegangen war, die nach unserer Diagnose heute narzisstische Persönlichkeiten waren. Egal wie sehr du dich anstrengst, wenn dein Partner ein Narzisst ist, musst du sein Spiel mitspielen, aber solange du noch einen Funken Selbstwert hast, wirst du sein Spiel beenden und ihn damit noch mehr kränken.

Ich lese gerade von Reinhard Haller (Vorarlberger Psychiater und Gerichtsgutachter) das Buch „Die Macht der Kränkung“. Darin beschreibt Haller seine Wahrnehmung und Einschätzung, die sich auf jahrzehntelange Arbeit mit psychisch Kranken, Verbrechern, Süchtigen stützt. Er sieht hinter jedem Streit, Konflikt, Krankheitsausbruch und sogar (Welt-)Krieg ursächlich die Kränkung. Dabei unterscheidet er eine Kränkung, die ein Individuum betrifft und eine Kränkung, die eine ganze Gesellschaft(sgruppe) betrifft.

Wir können nicht kommunizieren, ohne zu kränken. Jeder Mensch kränkt und wird gekränkt. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht und was man daraus macht. Schließlich werden nicht alle gekränkten Menschen zu Tyrannen, Amokläufern oder Terroristen, Diktatoren, Kriegsverbrechern oder Serienmördern. Sich seinen Kränkungen zu stellen, ist eine mutige und gesunde Einstellung, aus Liebe zu sich selbst und anderen Menschen gegenüber.

Das ist etwas, was einem narzisstischen Menschen unmöglich ist: er ist egozentrisch, eigensüchtig, wenig bis gar nicht empathisch, besonders empfindlich und entwertet andere. Alles und jeden bezieht er auf sich, ist verärgert, gekränkt und wütend, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Er ist überzeugt, dass es ihm zusteht, dass andere ihm zuhören, dafür da sind, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Er braucht die anderen Menschen, er bedient sich, fordert uneingeschränkte Loyalität ein. Umgekehrt hört er nicht zu (was können andere Menschen schon Interessantes zu erzählen haben?), gibt kaum etwas von sich, tut nichts für andere und verwundert sein Umfeld mit Gefühlsregungen, die man eher im Minusbereich einstufen würde.

Haller bringt es perfekt auf den Punkt, deshalb zitiere ich hier aus seinem Buch „Die Macht der Kränkung“ (2015) S. 81 – 82:

Das Wesen des echten Narzissten wird, was man meist nicht bedenkt, ganz entscheidend durch seine extreme Kränkbarkeit und die ständige Entwertung der Mitmenschen, also die Kränkung anderer, bestimmt. So unsensibel der Narzisst für Persönlichkeit und Gefühlswelt anderer Menschen ist, so empfindlich ist er für sich selbst. Jede andere Meinung empfindet er als Verletzung seiner Ehre, jeden Widersprich als ungeheuerliche Frechheit, jede konstruktive Kritik gleicht einer Majestätsbeleidigung. Rücksichtslos und grobklotzig im Austeilen, mimosenhaft im Einstecken. Weil der Narzisst in ständiger Angst vor einer als existenzielle Bedrohung empfundene Kränkung lebt und in jeder noch so kleinen Kritik eine nahezu schicksalhafte Katastrophe sieht, kann er nicht vergessen.

Zur Kränkbarkeit des Narzissten gehört seine Unfähigkeit zu verzeihen. Selbst kleine Verletzungen sitzen beim Narzissten so tief, dass die Wunde nie verheilen kann und es über Jahrzehnte hinweg zu keiner Vernarbung kommt: „Gott verzeiht, nicht aber der Narzisst.“ Nirgendwo ist das Element der Nachhaltigkeit von Kränkungen so stark ausgeprägt wie beim Narzissten.

Heute, aus der Distanz, kann ich sagen, dass ich zwar gekränkt, aber doch davon gekommen bin. Zwei Männer in meiner Vergangenheit haben diese narzisstische Persönlichkeit. Das gefährliche daran ist, dass sie einen abhängig halten wollen, weil sie einen ja brauchen als Reflektionsfläche, als Spiegel, wie schon in der antiken Erzählung des namensgebenden Narziss. Aber ich hatte als Mensch, so wie ich bin, keinen Wert für diese Männer, Sätze wie „Du bist wertlos“ oder „Du bist ein Nichts“ fielen oft. Sobald ich meine Fühler aus diesem Käfig der Überwachung, Abwertung und Gewalt streckte, mich von ihm distanzierte und merkte, dass ich mich aus dieser ungesunden Beziehung lösen musste, weil es sonst ungesund für mich enden würde, kränkte ich diesen Narzissten aufs Neue. Und bestätigte damit seine Meinung, Menschen enttäuschen und kränken ihn, weil niemand seinen Auflagen und Vorstellungen zu 100% gerecht werden kann.

In beiden Fällen führte diese Kränkung dazu, dass sie mir Gewalt bis zu Mord androhten, als ich schon weg war. Einen Narzissten zu verlassen ist nicht einfach das Ende einer Beziehung, für ihn geht es erst richtig los. „Wie kannst du nur?“ beschreibt ihr Unverständnis gegenüber der maximalen Kränkung in der Situation des Verlassenwerdens. Einer der beiden sagte mir auch in vollster Überzeugung, dass es ihm einfach noch zustünde, mit mir zu schlafen, ich solle doch zu ihm kommen. In seinem Kopf machte das vermutlich alles Sinn. Und als ich sagte, ich mache das nicht mehr, eskalierte er: meine bei ihm verbliebenen persönlichen Sachen wie Laptop, Bücher, Kleider und Schuhe brachte er in den nahegelegenen Wald und entzündete ein Feuer. Danach stieg er in sein Auto, rief mich an und sagte er habe eine Waffe bei sich und sei am Weg zu mir.

Die Sache ist bisschen mehr als 10 Jahre her. Das letzte Mal sah ich diesen Narzisst bei Gericht, ich musste als Zeugin aussagen wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Meine Wertgegenstände bekam ich nicht ersetzt, im Gegenzug dazu legte sein Anwalt mir vor, was ich seinem Mandaten in den Jahren der Beziehung gekostet hätte. Ich bin ein Mensch, der in solchen Momenten Kräfte mobilisiert und die Flucht nach vorne antritt. Ich habe nicht zurückgeblickt und ein neues Leben angefangen. Ein paar Jahre später tat ich dies noch einmal und zwar mit meinem Sohn gemeinsam.

Warum erzähle ich das? Ich sehe mich selbst nicht als Opfer und das war nie eine Motivation für mich über meine Erlebnisse zu sprechen. Ich weiß nur, dass es massiv wichtig ist, zu sagen was war und mit Menschen in Kontakt zu sein, zu reflektieren. Um weiterzumachen. Und zwar nicht als gebrochene, gezeichnete Frau, nein, aus dem Erlebten herauszugehen und zu sagen „Da hab ich mich selbst rausgeboxt! Ich habe das überlebt!“

Heute denke ich, dass ich eher erkennen würde, wenn ein Mensch toxisch ist, aus welchen Gründen auch immer. Ob er ein Narzisst ist, ein Süchtiger oder einfach nur ein tyrannisches Arschloch. Am Ende geht es darum, dass ich aus dem Erlebten gelernt habe, zu erkennen, was für mich und mein Leben gut ist und was nicht. Was sich nicht gut anfühlt oder mir sogar widerstrebt emotional oder wertemäßig, mache ich nicht mehr. Niemand sollte in einer Beziehung bleiben, nur weil der Partner einen so unterbuttert und runtermacht, dass man seinen Tiraden eines Tages Glauben schenkt. Deshalb ist es wichtig, dass wir über Verhaltensweisen sprechen, die ungesund/toxisch/pathologisch sind, damit wir unserem Gefühl wieder mehr vertrauen und langjährige Dramen vermeiden. Manche dieser Dramen enden in der Chronik-Spalte der Tageszeitungen und werden unter „Beziehungsdrama“ verbucht.

Wer sich näher mit narzisstischen Eigenschaften beschäftigen will und den Verdacht hat, einen Menschen in seinem Leben zu haben, der unter Narzissmus fällt: ich habe eine ausführliche und wirklich treffgenaue Liste gefunden, die der frühere FBI-Agent und Profiler Joe Navarro definiert hat, hier ist der Link dazu!

Ich freue mich über eure Kommentare, ob ihr schon mit Narzissten zu tun hattet oder wie ihr über solche Persönlichkeiten denkt –

wünsche euch ein tolles Wochenende und vorallem: habt euch lieb!

 

 

12 Gedanken zu “Über Narzissten, toxische Beziehungen und die Kränkung als Urmotiv

  1. Hallo Pinkshot,
    krass, da hast Du dann gleich einen ziemlich schweren Fall erwischt und bist offenbar trotzdem unbeschadet und um viel Wissen reicher aus der Nummer herausgekommen. Ich hatte bloß mal eine Affäre mit einem Narzisten. Ihn musste ich nicht verlassen, weil ich eh von Anfang an nur die Nebenbeziehung war und als seine Hauptbeziehung kaputtging, erwartete er von mir Hilfe, um eine neue zu finden. Diese Unterstützung habe ich ihm wegen meines freigeistigen Blicks auf zwischenmenschliche Beziehungen damals sogar gewährt, und solange ich nach seiner Pfeife tanzte und ihm genug Bestätigung gab, wurde ich über den grünen Klee gelobt. Wenn ich anfing, ihn zu kritisieren, egal wie konstruktiv, gingen aber genau die Dinge ab, die mensch sich nach der Lektüre der Checkliste lebhaft vorstellen kann. Ich war nach kurzer Zeit froh über sein Abtauchen zur neuen Liebe, mit der es dann auch mittelfristig nur ins Chaos lief, wie ich am Rande einmal mitbekam.
    Momentan darf ich gerade lernen, wo die Unterschiede zwischen echtem Narzismus und mutmaßlichem ADHS liegen – da gibt es viele Parallelen, aber auch viele Unterschiede und vor allem ist eben die Motivation und der Grund für das teils echt anstrengende Verhalten völlig anders gelagert. Dennoch empfinde ich auch das schon oft genug als toxisch.
    liebe Grüße
    Lea

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    1. Hey Lea, danke für deine Antwort! Ich war echt geflasht, wie punktgenau die Checkliste ist und die Tiraden und Verhaltensweisen anscheinend exakt so bei vielen Menschen dieser Sorte stattfinden, so wie du auch bei deiner Bekanntschaft beschrieben hast. Den Hinweis mit dem ADHS finde ich auch sehr spannend. Toxisch kann sich in vielen Facetten und unterschiedlichen, pathologisch oder einfach nur arschig, Gesichtern zeigen. Danke für deinen Input!

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  2. Das muß echt schlimm gewesen sein. Und deshalb bitte ich vorher schon für meine folgende Bemerkung um Verzeihung: das ist die Diagnose anhand eines Buches betreffend einen nahestehenden Menschen. und nochmal einen. Das halte ich für verständlich, verzeihlich, aber auch gefährlich. Eine Facharztdiagnose fehlt mir, um X einfach so mit einem Etikett bekleben zu können. Klar, auch ich mache das im Alltag, „der ist doch ein…!“ Macht’s nicht besser, fundierter. Alles, was ich damit sagen will: Vorsicht vor psychologischen Zuschreibungen und psychiatrischen Diagnosen auf dieser Basis. Ändert nichts an der Dramatik des Beschriebenen, des Erlebten! Und gleich zwei mal so ne Type? Echt schlimm. Bekannt ist ja, dass sich dieser Typus hervorragend verkaufen kann (z.B. auch im Job, sich sehr häufig in die tollsten Chefpositionen drängelt und dort erfolgreich wütet, manchmal geht der Betrieb vor die Hunde, immer mehrere Mitarbeiter, was soll’s, aber gewütet wird!). Ich bitte schon wieder um Verzeihung: wäre es falsch, zu einem ernsthaften Selbsterfahrungsseminar zu raten, um mal die eigenen Dispositionen (hier der Partnerwahl) anzuschauen? Falls ich hier etwas zu übergriffig – persönlich werde nochmal: Entschuldigung, bei so einem Thema kann ich manchmal nicht anders, berufskrank halt, will auch keinesfalls damit sagen: so und nicht anders, denn Ferndiagnose und Fernberatung halte ich für äußerst unprofessionell, obwohl die Krankenkassen das zunehmend für gut und billig halten.

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    1. Ich verstehe deinen Einwand und er ist auch gerechtfertigt: es liegen keine mir bekannten Diagnosen vor, die eine narzisstische Persönlichkeitsstörung bestätigen. Auch bin ich selbst Laie, was Psychologie/Psychiatrie angeht. Aber kennst du das? Du liest ein Buch und es fällt dir wie Schuppen von den Augen? Es geht mir nicht darum, diese Männer vorzuführen, ich wollte anhand meiner Geschichte zeigen, dass man da rauskommt.
      Der Tipp mit dem Selbsterfahrungsseminar ist tatsächlich übergriffig, du weißt nicht, was ich an „Hilfestellung und Selbstreflexion“ alles schon gemacht habe.
      Schönen Sonntag und liebe Grüße, Frau Pinkshot

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  3. Da bitte ich nochmals um Entschuldigung für meinen sich nur auf den Text ohne Kenntnis der Personen und der Vorgänge darüber hinaus beziehenden, ich hoffe die Einschränkungen sind deutlich geworden, Einwurf. Üble Beziehungen, insbesondere Beziehungsenden (sind eher nie schön) und zumindest Beziehungszeiten hat ja wohl jeder schon erlebt, irgendwelche Waffen in der Hand, egal was erstmal, irgendwelche Gewalt, da sind hoffentlich alle einig, geht gar nicht und muß einen Schlußstrich nach sich ziehen.

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      1. Good Point, darüber denke ich mal nach 😉

        Für mich ist die Anonymität beim Bloggen aber doch ein Schutz, ich würde mich nicht in ein TV-Format setzen und das selbe erzählen.

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  4. Klar, den meisten geht es so, wenn es um Sex geht. Oder auch nur um Nacktheit. Bei uns gab es bislang aber noch keine Beeinträchtigungen. Hat noch niemand aus unserem Umfeld mitbekommen, oder unser Umfeld ist einfach zu klein und unwichtig. Ob ich nun schreibe, oder Bilder veröffentliche, ist dabei völlig egal. Wobei man ja bei den Bildern schlechter sagen kann, es handele sich nur um Fiktion, wie man das bei Geschriebenem könnte.

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